Mancher Tag wird erst durch einen Satz oder nur ein Wort zu einem Tag. Alles in den Stunden davor war nichts, war nicht Tag, war nur Zwischenzeit. In der woanders ein Mensch zu einem anderen einen Satz oder nur ein Wort sagt, das Tag wird. Tag ist kein schönes Wort eigentlich, day ist besser, vielleicht. make my day. Oder auch have a nice day. Tag ist so schwer, festgelegt, fast einfach, nicht wie Nacht, die Nacht, die lange Nacht. Ich sollte schlafen, jetzt, nun. Und finde mein Feuerzeug nicht. Gleich.
Wissen Sie, weißt Du, ein Tag kann beschissen leer sein, aber dann ist er kein Tag, wir, also ich und ich, wir stellen das nun fest, weil leere Tage nichts sind. Nichts. Wir lamentieren hier nicht über verstrichene Zeit, nein, wir jammern auch nicht. Ich verabscheue Gejammer, wer jammert, der klammert. Call it Sehnsucht oder desire stattdessen, nenn es Traum oder Wunsch, ich nenne es Realität, denn die Realität kann nicht ohne call it Sehnsucht oder desire sein, ohne Wunsch und Traum ist der Mensch nichts als eine elende Maschine.
Und vielleicht bin ich Maschine, weil ich Sehnsüchte und Träume habe, vielleicht funktioniere ich nur ihretwegen, sowas weiß man ja nicht mehr so genau, seitdem es Film und Fernsehen gibt, aber ich weiß, denke, glaube, dass ich meine Träume leben möchte.
Wieder warten. Warten bis es schwarz vor den Augen wird, schwarz wie Vinyl, das still krachend das Streichen der Nadel hinnimmt. Nie endende Drehungen um einen in trauter Schwärze vernadelten Gedanken, und es spielt keine Rolle, ob die Geschwindigkeit der Drehungen noch bei 33 1/3 liegt oder schon bei 45 angekommen ist, die Richtung ändert sich nicht. Wir wechseln die Platten, wir wechseln die Nadeln, wir schalten ein, die Drehung kommt, wir schalten aus, die Drehung vergeht nicht, sie lauert schon längst in deinem Ohr und wartet auf das Streichen der Nadel, die da irgendwann mal jemand in deinem Kopf justiert hat, aber wahrscheinlich bist es nur du selbst gewesen und bildest dir nur zu gerne ein, dass ein anderer, eine andere einst die Schwärze deiner Kreise jemals verstanden hat und sie irgendwann vielleicht sogar einmal mit sachter Hand berührte.
Der Frühling war sehr kurz, und der Sommer geht mir jetzt schon zu weit. Kopfschmerzen, allergiebedingt wahrscheinlich, plaudern seit gestern in der Früh lebhaft in meinem Oberstübchen und schauen mir belustigt beim Existieren zu. Möglicherweise bin ich aber auch nur allergisch gegen mich selbst, verübeln könnte ich es mir nicht.
Vielleicht, wenn es mir gelänge meine Träume zu töten,
gewänne ich das Leben.
Was für ein Leben aber würde das sein?
Ohne Träume?
Ein brauchbares wohl!?
Und selbst dann, wenn da draußen die Pest alles darniederrafft und jeder gegen jeden pestet, gerade dann sind Träume etwas großartiges. Allein der Gedanke, der Traum an sich, ist lebenswert.
Aus einem Dokumentarfilm von Rainer Werner Fassbinder.
Wann trifft man schon auf Winston Tong und Herrn Fassbinder im Duett!
I talk to the wind
My words are all carried away
I talk to the wind
The wind does not hear
The wind cannot hear.
Und auf einmal nadelt es Kälte, dornig und stiftig schlägt mir der Wind mitten ins Gesicht, streckt mich besessen nieder und tötet mich halb, weil ich seinem Raubzug im Wege stehe. Gierige Pranken watschen die Lichter der Danziger ab, schwarze Flecken in der Grabeshelle der Laternen.
Ein angestochenes Tintenfass im Bordstein, in dessen Rinnsal ich mich wälzend zu ertränken gedenke, um ja nicht zusammen mit den Abfällen der Straße in den Äther verweht zu werden, in die endlose Kälte.
Besudelt von Tinte wanke ich heimwärts, die Danziger entlang, die geliebte und verhasste Danziger, die lange Danziger, deren mit Geschichten vollgesogenen Papierlagen meine Schritte nicht einmal mehr verhallen lassen, die mich aufsaugt und bedeutungslos werden lässt.
Ich bin nicht da, der Wind hat gewonnen, und nur als ich mich füge und mich dem Nichts überlasse, lasse ich alles zurück und werde zu Tinte.
Äther verursacht übrigens einen über Tage anhaltenden ekelhaften Mundgeruch. Äther, damals vor Äonen bei Dir, als sie ihm in der Geschlossenen das Schaumschlagen beibrachten.
Knopf drücken, den Gain-Regler hochdrehen bis auf 10.
Rauschen, Knacken, Knistern, Rascheln. Plug in baby* auspacken, Kabel stecken, in den Arm nehmen, umhängen.
Noch nicht warm, noch nicht locker, soll ich Dich trotzdem spielen.
Kein Vorspielen, kein Proben, kein Auftreten.
Heute wird nicht gestimmt, ich spiele Dich wie Du bist.
Die linke Hand über den Hals gleiten lassen, Saiten unter Spannung.
Stille.
Rauschen, Knacken, Knistern, Rascheln.
Rückkoppeln bis die Membran scnnarrt.
Die rechte Hand auf die Saiten fallen lassen.
Und spielen.
Krachen, Lärmen, Dissonanzen, Disharmonien.
Hooks und Takte, Riffs und Rhythmen.
Distortion
Overdrive
Schweiß
Bis der Kopf leer ist. Ganz leer. Keine Unschärfen.
Bis der Moment kommt, in dem ich eins mit Dir bin. Losgelöst. Nur Du und ich.
Die Spannung löst sich, und es ist alles neu, Wärme steigt auf, strömt bis in die Fingerkuppen, die auf Deinen Saiten liegen, verweilen, innehalten, zur Besinnung kommen, zu Atem kommen.
Delay
Die Hände über die Saiten huschen lassen, ihnen Flageoletts entlocken.
Flüstern, Säuseln, Singen, Fließen.
Schweben.
Fliegen.
Loslösen.
Loslassen.
Anyone can play guitar*, aber mit ihr zu sprechen ist noch etwas ganz anderes.